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  • Ein Erlebnisbericht von einer Appell-Demo

    Stellt dir vor du solltest zu einem Treffen kommen. Das Treffen soll eine hohe Bedeutsamkeit haben – eigentlich sollte jede Person dorthin. An diesem Treffen kommen viele unterschiedliche Menschen zusammen, aber man spricht nicht miteinander. Die Menschen stehen einfach nur nebeneinander. Ein paar kennen sich schon die unterhalten sich, aber wenn du alleine bist, dann stellst du dich einfach irgendwo hin. Bei diesem Treffen reden Menschen auf einer Bühne zu dir. Du kannst sie nicht immer gut verstehen, aber sie sind oft emotional. Sie empören sich über dies und das und ja du kannst es verstehen, ja tatsächlich ist es ein bisschen langweilig. Die Reden sind wie ein Buch, was du gekauft hast wegen dem Klappendeckel und dann wiederholt sich auf jeder Seite im Buch derselbe Text vom Klappendeckel. Ab und zu darfst du anpassenden Stellen Buh rufen, ab und zu darfst du mal klatschen. Manchmal darfst du einen Satz mit rufen, der die vorgesagt wird. Das meiste richtet sich an Menschen die gar nicht da sind, die du auch noch nie getroffen hast – und darüber hinaus überhaupt nicht ausstehen kannst und nicht das Gefühl das diese Menschen irgendetwas ändern wollen an ihr tun. So geht die Zeit dahin, ab und zu schaust du auf deine Uhr. Irgendwann beginnt Musik zu spielen aus einer Box und alle setzen sich in Bewegung und laufen langsam die Straße herunter. Du läufst mit vielen fremden Menschen an der Seite – man spricht weiterhin nicht miteinander. Jetzt werden öfter Sätze zum Wiederholen gerufen von Menschen mit Mikrofon. Sie heißen animati oder so und sie sollen dich animieren. Ihr latscht so durch die Stadt. Leute gaffen euch an als wärt ihr Tiere in einem Zirkus. Irgendwann endet ihr auf einen Platz und du darfst wieder stehen und zuhören. Die Reden gehen darum wie wichtig es war an diesem Treffen teilzunehmen und wiederholen noch einmal den Klappentext und sprechen noch einmal eine Person die nicht da ist und du nicht magst an. Dann löst es sich alles auf. Alle Menschen strömen in unterschiedliche Himmelsrichtungen – wohin sie gehen? Was sie wohl von dem Treffen denken? Keine Ahnung. Erschöpft und ein bisschen Dumpf gehst du auch wieder nach Hause, morgen musst du wieder früh raus zu Arbeit.

  • 5 Thesen und eine Vision zu Demos

    Diese Thesen standen am Anfang unserer Reise mit Demos neu Denken und sind unsere Kritik an der üblichen von Demos, aber eine Hoffnung, dass es anders geht!

    Was Demos sein könnten – und was sie meist nicht sind

    Demos könnten Versammlungen sein, an den Menschen ihre Anliegen besprechen und sich in ihren jeweiligen Themen austauschen. Demos könnten Orte sein, wo strategische Vorschläge besprochen werden und Menschen politisiert und organisiert werden. Demos könnten Orte sein, wo wir uns begegnen und voneinander lernen –  Orte, wo sich Menschen verändern und Teil einer organisierten Bewegung werden.

    Was wir statdessen oft beobachten:

    1. Demos[1] weisen den Menschen eine passive Rolle zu

    Einer der größten Probleme von Demos, wie wir sie gerade organisieren, ist ,dass sie hochgradig asymmetrische Räume darstellen. Die Demo trennt zwischen denen die sie organisieren und denen die teilnehmen, zwischen denen die reden und denen die zuhören. Für 95% der Menschen ist das aktivste was sie tun auf einer Demo sich an Shouts beteiligen, aber ansonsten ist es eine durchaus passive Erfahrung. Dadurch wird mensch in eine konsumierende Rolle gepresst und die Demo verbleibt ein vereinzeltes mit dem restlichen Leben und politischen Arbeit nicht zusammenhängendes Event.

    2. Demos sind kaum geeignet zur Vernetzung

    Obwohl hunderte oder tausende Menschen zusammenkommen, die gemeinsame Anliegen teilen, gehen wir meistens nach hause ohne neue Menschen kennengelernt und neue Verbindungen geknüpft zu haben. Eine Demo ist ein sozialer Raum – aber wie wir sie organisieren leider ein ziemlich schlechter. Es ist fast unmöglich Menschen auf einer Demo kennenzulernen, zu denen noch keine soziale Beziehung besteht. Es scheint zum guten Ton zu gehören nicht unbekannte Menschen anzusprechen und die Struktur der Demos lädt auch nicht dazu ein. Man wird ständig unterbrochen durch Musik, Shouts oder Reden und es gibt auch keinen von außen gegebenen Impulse mit Menschen ins Gespräch zu kommen.

    3. Demoreden sind nicht für sie Menschen geschrieben, die sie hören

    Die Demoreden richtet sich oft an ein ominöses Außen und erzählt meistens die Gründe warum wir eh schon alle gekommen sind. Das Außen hört aber nicht zu und für die Anwesenden ist so selten etwas neues dabei.
    Man hat den Eindruck, dass sich beim Schreiben einer Demorede fast nie überlegt wird, warum die Menschen auf der Demo gerade diese jetzt hören sollten. Was ist der strategische Auftrag hinter dieser Rede? Wenn es Demoreden geben soll, müssten sie vielmehr darum gehen, was wir als Bewegung tun können und was der Stand von unserer Bewegung ist. Da Demos Bewegungsöffentlichkeiten herstellen, müssen die Inhalte auch für diese gemacht sein.

    4. Demos wirken appellierend, selbst wenn wir eine andere „Theorie of Change[2]“ haben

    Demoreden und Demoausdruck besitzen fast immer einen appellierenden Charakter an „die Politik“, selbst bei Orgas die ganz bestimmt nichts von dieser erwarten. Wir machen Demos vor allem für uns als Bewegung und nicht weil wir denken, dass sie irgendetwas groß verändern werden.

    5. Demos verkommen zu langweiligen Pflichtveranstaltungen

    Die gesamte trostlosigkeit von Demos steckt in der Beschreibung von Demos als „Latschdemos“. Demos sind eintönig, anstrengend und sehr stark wiederholend. Fast jede Demo ist irgendwie gleich, am schlimmsten sind die linken Kalenderdemos, die sich bis ins endlose wiederholen. Dadurch, dass Demos nicht dafür gemacht werden, dass man auf diesen etwas lernt, sich in diesen organisiert, vernetzt oder austauscht, werden sie zu reinen Pflichtveranstaltungen, wo man hingeht, weil man da halt hingeht als linke Person.

    Und alles daran kann von uns verändert werden. Wir können Demos zu dem Ort machen, der sie sein könnten.
    Und das ist wichtig, um Protestmomente gestalten zu können:

    Als organisierte Strukturen haben wir die Verantwortung in einer wenig dynamischen Zeit uns Gedanken zu machen, was es braucht um in einen Protestmoment handlungsfähig zu sein. Wie können möglichst viele Menschen aktiv werden? Wie müssen dafür Organisierungsformen aussehen? Welche Strukturen müssen wir dafür bereitstellen? Demos als niedrigschwelliger Ort von Bewegung kommt bei diesen Fragen einen zentralen Stellenwert zu. Ist der nächste Schritt zu hochschwellig, stirbt die Bewegung nach den ersten Demos. Deswegen lasst uns Demos anders Denken und gestalten, denn der nächste Protestmoment kommt bestimmt.


    [1] Wenn hier von Demos gesprochen wird, dann ist die vorherrschende Gestaltung von Demos gemeint und nicht das sie an sich so sein müssen.

    [2]Theorie of Change – Theorie davon, wie wir die Welt zum besseren verändern können.